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Teil 2.6 - Wendlingen

(Erstellt Dezember 2009/Januar 2010).

Wir möchten in diesem Kapitel versuchen, die Geschehnisse um jene beiden Polizisten in ihrem Zivilfahrzeug einzuordnen, welche in der Wertstraße gegenüber dem Hinterhof der Autohandlung Hahn bzw. dem Parkplatz der Firma Ritter-Aluminium mit einem Schuss schwer verletzt wurden.

Die Situation ist nämlich alles andere als eindeutig.

Die Pressemitteilung der Polizei und der Staatsanwaltschaft vom April 2009 setzt das Ereignis, dass der Täter auf das genannte und vorbeifahrende Zivilfahrzeug der Polizei geschossen habe, vor jene Situation, dass der Täter „weitere“ Schüsse in Richtung des Firmengebäudes von „Ritter-Aluminium“ abgegeben haben soll. Zumindest entsteht dieser Eindruck. „In dieser Situation“ wurden mehrere Schüsse von einem Polizisten auf den Täter abgegeben. Diese Angabe wird demnach eindeutig sofort nach jenen Schüssen auf den Vorbau eingeordnet. Es soll sich dabei um die nunmehr bekannten 5 Schuss aus einer Polizei-Maschinenpistole gehandelt haben.

Vergessen wir hier kurz den Umstand, dass dieser MP-Polizist drei Schüsse in das Heck eines am Straßenrand abgestellten VW-Touran gesetzt haben soll, sich aber die dort aufgefundenen fünf Hülsen neben dem Fahrzeug befanden. Dies ist im Gegensatz zu der polizeilichen Behauptung belegt.

Kurz zusammengefasst: zuerst der Schuss des Täters auf die beiden Polizisten im Wagen, dann die Schüsse auf den Vorbau von „Ritter-Aluminium“, danach die fünf Schuss des Polizisten mit MP in Richtung des Täters.

Knüpfen wir nun an das bekannte Handy-Video eines Unbekannten an, der aus dem Vorbau der Firma „Ritter-Aluminium“ die letzten Sekunden des vermeintlichen Täters gefilmt haben soll.

Diese Person (der vermeintliche Täter) gab offenbar zwei Schüsse Richtung Straße ab. Kurz darauf sind genau 7 Schüsse dieser Person zu hören, aber wegen des verwackelten Bildes nicht zu sehen.

Anschließend rief und gestikulierte dieser vermeintliche Täter Richtung Straße, danach sprach er wiederum in Richtung des Vorbaus und des Handy-Filmers. Es folgte nun ein Schnitt und somit eine neue Sequenz, in welcher diese Person auf den Hosenboden kam. Die Polizei hat dieses Handy-Video für authentisch erklärt (Ende 2010).

Die Unstimmigkeiten wurden bereits in einem anderen Kapitel besprochen. Wir wissen nicht, warum dieses Video noch vor dem Ende des angeblichen Täters Lücken in den Frames enthält, die möglicherweise einen Schnitt kaschieren.

Wir können nur feststellen, dass weder die Schüsse Richtung Handy-Filmer noch die Schüsse aus der Polizei-MP sichtbar bzw. hörbar sind. Folglich muss sich diese Situation entweder vor der Videoaufnahme oder innerhalb einer vielleicht geschnittenen Stelle ereignet haben.

Wir sind anhand dieses Videos demnach nicht in der Lage, den Zeitpunkt zu bestimmen, wann das zivile Polizeifahrzeug vorgefahren war. Und wir wissen auch nicht, auf wen oder was der angebliche Täter zweimal in Richtung Straße geschossen hatte.

Wir können nur vermuten, dass diese beiden Schüsse dem zivilen Fahrzeug der Polizei und seinen beiden Insassen galten. Dass sich in dieser Richtung etwas befunden haben muss, wird an der Reaktion des Schützen in dem Handy-Video deutlich. Dabei wird es sich gegenüber entweder um Polizei gehandelt haben oder um Angestellte der Firma Festtool, die aus den Fenstern schauten.

Dass sich das Ereignis mit den Schüssen in Richtung Vorbau und den Schüssen aus der MP innerhalb einer herausgeschnittenen Sequenz befinden könnte, lässt aber auch die Frage zu: warum wurde nie etwas bekannt, dass der Täter in Richtung des Handy-Filmers geschossen habe sowie auf jene, die mit ihm gestanden sein sollen? Und warum wurde hier nicht bei sicherlich verwackelter Kamera die Tonspur veröffentlicht, die doch an Dramatik kaum zu überbieten wäre?

Die andere Möglichkeit wäre die, dass zwar einige Frames fehlen bzw. entfernt worden sind, aber keine ganze Szene herausgeschnitten worden ist. Sollte dem so sein, kann es sich bei den beiden Richtung Straße abgegebenen Schüssen des vermeintlichen Täters nicht um die Schüsse auf das Zivilfahrzeug gehandelt haben. Denn dann würden die Schüsse auf den Vorbau sowie das MP-Feuer fehlen.

Vorausgesetzt natürlich, dass die polizeilichen Angaben zumindest die tatsächliche Chronologie wiedergeben. Davon sollte man allerdings auch nicht ausgehen.

Wir haben somit den Hinweis, dass zuerst die Schüsse auf den Vorbau sowie die Schüsse des Polizisten abgegeben wurden und anschließend erst einerseits das Zivilfahrzeug vorgefahren war und andererseits der Handy-Filmer mit seiner Aufnahme begonnen hatte.

Als weiteren Baustein möchten wir jene kurze Videosequenz heranziehen, welche damals von SPIEGEL-TV ausgestrahlt worden war: Sie zeigte einen zivil gekleideten Polizisten mit weißem Kapuzenpulli, welcher sich vor dem Autohaus Hahn in Deckung befand. Und sie zeigte einen Streifenwagen auf dem Weg Richtung Hof der Autohandlung bzw. der Firma „Ritter-Aluminium“. Auf dieser kurzen Videosequenz sind Schüsse zu hören: einmal drei Schüsse aus einer Waffe, gleich danach drei weitere Schüsse aus einer anderen Waffe. Da hier allerdings das Video und die Tonspur bereits endete, kann es sich bei den letzten drei Schüssen auch um möglicherweise fünf Schüsse gehandelt haben.

Würde man nun den Polizeiangaben folgen, gab es aber nur eine einzige entsprechende Situation, auf welche diese Beschreibung passt. Es kann sich hierbei nur um jene Schüsse Richtung Vorbau von „Ritter-Aluminium“ sowie um die Schüsse aus der Polizei-MP gehandelt haben.

Das heißt, dass sich zwar Polizisten vor dem Autohaus in Deckung befanden, das Geschehen sich aber in Wirklichkeit bereits auf der anderen Seite des Gebäudes abspielte.

Warum sich Polizisten noch vor dem Autohaus in Deckung befanden, ist nicht bekannt. Vielleicht aus Vorsicht aufgrund der Annahme, dass es einen weiteren Täter geben könnte. Das Autohaus scheint somit zu diesem Zeitpunkt für die Polizei noch nicht gesichert gewesen. Die Tatsache, dass sich die Polizei vor dem Autohaus versammelte, aber die rückwärtige Seite nicht berücksichtigte, wurde bereits festgestellt und erörtert. Die Abdeckung dieses Bereiches wurde ausschließlich jenen beiden Polizisten überlassen, die sich zwischen dem Autohaus Käser und „Ritter-Aluminium“ postiert hatten. Und damit etwas zu weit entfernt von dem Geschehen.

Aber da gibt es noch diesen zügig vorbeifahrenden Streifenwagen – und der passt überhaupt nicht in das polizeiliche Szenario hinein. Denn es handelt sich hierbei um Polizisten, von denen in keiner polizeilichen Schilderung die Rede ist.

Die Geschwindigkeit des Fahrzeuges beachtend sowie die Feststellung, dass die Schüsse erst rund 9 Sekunden später fielen, muss sich dieser Streifenwagen anschließend genau in dem Bereich des Schusswechsels befunden haben.

Von diesem zusätzlichen Streifenwagen und dessen Besatzung war aber nie die Rede. Sie existieren in der Polizeiversion nicht, denn die Wertstraße wurde im Bereich des Autohauses Käser ausdrücklich von zwei Polizisten gesperrt. Es handelte sich hierbei um die Beamten Dürr und Graf.

Oder soll dieses Duo tatsächlich von einer bislang nie erwähnten Streifenwagenbesatzung verstärkt worden sein? Welche in ungeschickter Weise durch eine Gefahrenzone gefahren sein soll anstatt über den sicheren Weg von der anderen Seite? Und welche dann ebenfalls nichts unternahm? Es gibt nicht eine einzige Meldung von ihnen, in keinem Zusammenhang.

Diese Nichtexistenz wurde auch in Polizeiangaben dokumentiert, welche die Medien veröffentlichten (z.B. SÜDWEST-PRESSE vom 6. März 2010). Diesen Angaben zu Folge sollen neben den beiden schwer verletzten Polizisten sieben weitere Polizisten direkten Kontakt zum Täter gehabt haben. Dabei handelt es sich um die beiden Beamten PHK Rehm und PHK Schäfer, drei weitere Beamte laut Polizeibericht, die direkt vor das Autohaus gefahren sein sollen sowie die Beamten Dürr und Graf nahe dem Autohaus Käser. Es müssen aber mindestens 8 Beamte gewesen sein, da sich im beschossenen zivilen Fahrzeug noch ein weiterer Beamter befunden haben soll, um es hier vorwegzunehmen. Es wird sich noch zeigen, dass die Behörden es auch weiterhin mit Zahlen alles andere als genau nehmen werden. Nicht nur mit dem plötzlichen Auftauchen eines Beamten Nr. 9. Jedenfalls spielt auch in diesem Bericht eine zusätzliche Streifenwagenbesatzung bis zum heutigen Tag keine Rolle.

Von dieser Unstimmigkeit abgesehen bedeutet dies für unsere Untersuchung, dass das zivile Polizeifahrzeug erst anschließend in die Situation hinein gefahren sein kann. Denn sonst hätten sich die beiden dann verletzten Beamten bereits vor Ort befunden haben müssen. Stehend, nicht fahrend.

Wir müssen annehmen, dass jener Filmer, welcher diese kleine Sequenz mit dem hockenden Zivilpolizisten und dem vorbeifahrenden Streifenwagen aufgezeichnet hatte, auch die Vorbeifahrt des folgenden Zivilfahrzeuges aufgezeichnet haben müsste. Dies wurde aber aus irgendeinem Grund nicht gezeigt bzw. herausgeschnitten.

Am 14. September 2009 erschien vom FOCUS-Redakteur Göran Schattauer der Report „Rücksitz als Falle.“ Siehe Teil 5, Desinformationskampagne.

In diesem Bericht, dem zweifellos eine Polizeiquelle zugrunde liegt, steht die Polizistin Sandra Geiger im Vordergrund, welche als Insassin des Opel Astra Kombi gegenüber der Firma „Ritter-Aluminium“ so schwer verletzt wurde.

Zusammen mit ihrem Kollegen B. befand sie sich unweit der Kreuzung Wertstraße bei dem Autohaus Hahn.

„In dem Wirrwar fallen Schüsse. Sie hallen aus dem Hinterhof der Firma Hahn. Die beiden Polizisten beschließen spontan, in diese Richtung zu fahren. Ein dritter Beamter, der Polizeihauptmeister M., bittet sie zu warten. Er habe eine Maschinenpistole und wolle mitfahren. Er holt seine Waffe und steigt hinten rechts ein.“

Und:

„Der Wagen fährt knapp 50 Meter, in den Bereich der Firma Ritter Aluminium. Die Beamten suchen den Täter, nicht ahnend, dass er sie fixiert.“

Und weiter:

„Krachend zischt ein Geschoss durch die Scheibe der Fahrertür. Es trifft Karsten B. am Hals. Glassplitter bohren sich in seinen Arm. Sandra G. sitzt in dem Moment leicht nach vorn gebeugt auf dem Beifahrersitz. In der rechten Hand hält sie ihre Dienstwaffe, mit der linken streicht sie sich Haare aus dem Gesicht. Die Kugel zertrümmert ihren Mittelfinger und durchschlägt ihren Unterkiefer.

Nach ein paar Metern kommt das Auto zum Stehen. Der Fahrer läuft um den Wagen und hilft seiner Kollegin heraus. Sie blutet. Der Finger ist verletzt. Mehrere Zähne liegen am Boden. Sie verspürt starke Schmerzen. Sie muss an ihre Mutter und den Sohn denken. Im Hintergrund fallen Schüsse.“

In diesem Bericht wird ebenfalls kein Streifenwagen erwähnt, welcher dem Zivilfahrzeug der Beamten B. und Geiger voraus gefahren sein muss. Bei den Schüssen auf den dunklen Polizeikombi soll sich dieser auf der Höhe der Firma „Ritter-Aluminium“ befunden haben. Der Opel soll auch nur „nach ein paar Metern“ zum Stehen gekommen sein.

Um welche Schüsse es sich handelte, die im Hintergrund gefallen sein sollen, wird nicht erklärt. Dass es sich um jene sieben in kurzer Folge abgegeben Schüsse gehandelt haben könnte, die auf dem Handy-Video zu hören sind, lässt sich höchstens vermuten.

Der gut informierte Autor dieses Artikels brachte am 9. März 2009 ein Buch heraus: „Der letzte Schultag – Die Amoktat von Winnenden“ .

Schattauer reduziert sich hier zwar auf einen Pressemitarbeiter der Polizei, der deren Angaben unreflektiert wiedergibt(Siehe Kapitel 6, Desinformationskampagne II), aber er verarbeitet genau das, was ihm die Polizei exklusiv überreicht hatte.

Zitieren wir kurz die entscheidenden Stellen:

Schattauer berichtet unter anderem von den Beobachtungen eines Polizeihubschraubers, welcher über der Szene schwebte. Es wird nicht berichtet, dass die auf dem Hof des Autohauses gesichtete Person geschossen hat, bevor diese zum kleinen Parkplatz vor der Firma „Ritter-Aluminium“ gegangen war.

Nachdem dieser Hubschrauber anschließend angeblich weggeschaut haben soll, verlegte Schattauer seinen Bericht zum Geschäftsführer von „Ritter-Aluminium“.

„Der Geschäftsführer der Firma Ritter-Aluminium blickt aus dem Fenster im ersten Obergeschoss Richtung Parkplatz. Er sieht einen Mann im Bereich der Fahrradständer. Der Mann macht ihm einen unentschlossenen Eindruck. Er hält eine Waffe in der Hand. Er beginnt, mit der Waffe herumzufuchteln, aber er schießt nicht. Der Geschäftsführer denkt, das muss ein Verrückter sein. Als der Mann mit der Pistole langsam auf den Verwaltungstrakt der Firma zusteuert, schwant dem Geschäftsführer, dass es gefährlich werden könnte. Er rennt ins Büro, um den Schlüssel zu holen. Er geht durchs Treppenhaus nach unten und verriegelt die Tür. Schüsse krachen. Tim trifft zwei blaue Blumenkübel und eine Scheibe neben der Tür. Der Manager bleibt unverletzt.„

Und:

„Die Schüsse schrecken zwei Polizisten auf, die sich vor ein paar Minuten in der Nähe der Aluminiumfirma postiert haben. Der Beamte des Polizeireviers Nürtingen und seine Kollegin haben Tim schon eine Weile beobachtet. Sie glauben zunächst, er arbeite im Unternehmen oder sei ein Schaulustiger. Daraufhin setzt sich der Beamte in den Streifenwagen und spricht den jungen Mann über Außenlautsprecher an. Er fordert ihn auf, das Gelände zu verlassen und in das Gebäude zurückzukehren. Der Mann reagiert nicht. Dann schießt er auf die Tür der Firma Ritter.“

Und weiter:

„Der 40 Jahre alte Polizist, der Tim gerade noch für einen Unbeteiligten hielt, zielt mit seiner Maschinenpistole MP5 auf den Schützen. Keiner der fünf Schüsse trifft…“

Nehmen wir einmal an, dass diese Angaben, die aus den Ermittlungsakten herrühren sollen, aber definitiv von der Polizei stammen, authentisch sind. Wir müssen demnach feststellen, dass es noch keinen Schuss auf das Zivilfahrzeug gegeben hat, dies also erst anschließend geschehen sein muss. Außerdem stellen wir fest, dass sich die oben beschriebene Situation vor der Aufnahme des Handy-Filmers ereignet haben muss.

Bezugnehmend auf die bei SPIEGEL-TV gezeigte kurze Videosequenz, sollte der zivile Polizeikombi erst nach diesem Zeitpunkt die Szenerie betreten haben.

Nach Schattauer bzw. dessen Auftraggebern ereignete sich die Situation um die beiden schwer verletzten Polizisten tatsächlich erst danach.

„Der Polizist sieht, wie der Täter über den Parkplatz Richtung Autohaus läuft und auf die Straße schaut. Dort fährt gerade ein Zivilfahrzeug mit aufgesetztem Blaulicht vor. Der Täter hebt den Arm und schießt aus etwa zehn Meter Entfernung auf das Auto.“

Somit scheint es eindeutig: zuerst die Schüsse des vermeintlichen Täters auf den Vorbau und sofort danach die Schüsse aus der Polizei-MP. Dies aber genau zu einem Zeitpunkt, als dort ein weiterer Streifenwagen vorgefahren war. Dieser wird aber immer noch nicht erwähnt. Aus irgendeinem Grund bis zum heutigen Tag nicht.

Und dann erst, nach einer uns unbekannten Zeitspanne, die Schüsse auf den zivilen Polizeikombi.

Der Täter soll nach dieser Schilderung wieder Richtung Autohaus gelaufen sein, wo er erstaunlicherweise die Gelegenheit gehabt haben soll, auf das vorbeifahrende Polizeifahrzeug zu schießen. Offenbar vom Hof der Autohandlung aus. Und dies trotz eines mittlerweile großen Polizeiaufgebots in unmittelbarer Nähe, von wo aus es keine überlieferte Reaktion gab. Der über der Szene schwebende Polizeihubschrauber soll angeblich immer noch weggeschaut haben.

Allerdings hatte es bei Schattauer eine Änderung gegeben. Während in seinem FOCUS-Bericht das zivile Polizeifahrzeug auf Höhe von „Ritter-Aluminium“ beschossen worden sein soll, hat er diese Situation in seinem Buch zum Hinterhof des Autohauses Hahn verlegt.

Warum? Es wird sich bei dieser Gegebenheit kaum um eine Variable gehandelt haben.

Natürlich bedeutet diese Veränderung aber auch, dass der Täter anschließend zum kleinen Parkplatz vor „Ritter-Aluminium“ zurückgekehrt sein muss. Und nun erst schließt sich hier das ominöse Handy-Video an.

Bleibt noch die Frage, auf wen der vermeintliche Täter in der Handy-Sequenz geschossen haben soll. Denn auf der Straße sollte sich nur das Zivilfahrzeug der beiden verletzten Polizisten befunden haben. Die Polizei berichtet aber nirgends, dass sie noch mal beschossen worden wären. Oder dass der Täter auf zur Hilfe eilende Kollegen geschossen haben soll. Nicht ein Wort. Über eine Schusswirkung wissen wir ebenfalls nichts. (Zwar gibt es etwa gegenüber tatsächlich ein Loch in der Fassade von „Festool“, welches Ähnlichkeit mit einem Schussloch hat, doch waren an diesem keinerlei Markierungen der Spurensicherung sichtbar).

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart blieb auch während der Verhandlung gegen Jörg Kretschmer bei dieser zuvor noch unbekannten Änderung dieses Teils des Tathergangs: Tim Kretschmer soll die Schüsse auf die Beamten B. und Geiger auf Höhe des Hahn-Hinterhofes abgegeben haben.

Ein Beweis für diese Behauptung wurde nicht angeführt. Weder eine Zeugenaussage, ein Video oder das Auffinden von Patronenhülsen auf dem Hinterhof.

Allein Schattauer bringt in seinem Buch die angebliche Aussage jenes Polizisten aus dem Gespann Dürr/Graf, welcher zuvor mit seiner MP geschossen haben soll. Dieser habe angeblich den vermeintlichen Täter zum Hinterhof von Hahn zurückgehen und schießen sehen.

Man sollte grundsätzlich annehmen, dass die Staatsanwaltschaft ihre Behauptung auch beweisen kann. Auch wenn sie eventuell keine Lust verspürt, die Fakten und alle anderen Einzelheiten darzulegen. Denn durch das Verhalten des angeblichen Täters wird dies nicht erklärt. Welchen Grund sollte er gehabt haben, sich in Richtung des Polizeiaufgebots zu bewegen?

Es ist die schwer verletzte Polizistin Sandra Geiger selbst, welche die Behauptung der Staatsanwaltschaft als eine weitere Lüge entlarvt. Die sich möglicherweise einzig auf die verlogene Aussage jenes Beamten stützen kann, welcher zuvor die 5 Schüsse aus der MP abgegeben haben soll. Und es dabei geschafft hatte, aus größerer Entfernung in das Heck eines VW Touran zu schießen, gleichzeitig aber die Hülsen auf der anderen Seite neben dieses Fahrzeug zu platzieren.

Womit deutlich wird, dass das Polizisten-Duo Dürr/Graf eine ähnliche Funktion hatte wie das Gespann Rehm/Schäfer auf der anderen Seite.

In ihrer vor Gericht verlesenen Aussage schilderte sie ausdrücklich, dass der Schuss auf Höhe des „Hofes von Ritter-Aluminium“ gefallen sei. Sie konnte ihre Aussage auch mit der Angabe belegen, dass ihr die Handy-Filmer an den Fenstern von „Festool“ aufgefallen wären.

Diese Fenster befinden sich aber auch noch heute direkt gegenüber der Firma „Ritter-Aluminium“. Somit wird deutlich, dass B. und Geiger den Bereich des Hinterhofes von Hahn schon längst passiert hatten. Dort befinden sich übrigens nur die Verladerampen von „Festool“.

Wie ging es weiter mit der hier untersuchten Szene?

Weiter geschah erst einmal nichts, obwohl der vermeintliche Täter weiterhin auf dem Parkplatz herumspazierte und nach wie vor eine Bedrohung der Polizisten gegenüber auf der Straße dargestellt haben muss. Man hätte ja nicht wissen können, dass der angeblich gemeingefährliche Mensch auf dem kleinen Parkplatz von „Ritter-Aluminium“ nicht mehr schießen würde, sondern nur zu ihnen hinüberrief und winkte.

Die Beamten B. und Geiger waren außer Gefecht. Aber da gab es ja noch den MP-Mann auf dem Rücksitz, Kollege Metz, der schließlich aus dem Auto herausgelassen werden konnte. Nach Schattauer bzw. dessen Polizeiauftraggebern habe er anschließend mit der MP im Anschlag nach dem Schützen Ausschau gehalten. Gesehen hat er ihn aber nicht, obwohl dieser nach dem von der Polizei für echt erklärten Handy-Video aufrecht herumspaziert war.

Offenbar durfte Kollege Metz nichts sehen.

Da das Handy-Video hier einen Schnitt aufweist und somit eine entfernte Szene enthält, haben wir für diese unbekannte Zeitspanne keine Information. Doch befand sich der vermeintliche Täter nach diesem Schnitt noch immer nicht in Deckung, weswegen man schließen konnte, dass – noch immer(!) – kein Zugriff der Polizei erfolgte. Das ist Fakt. Und das hat nichts mit einem Polizisten wie Metz zu tun, der in der Polizeigeschichte wie ein einfältiger Trottel dargestellt wird. So wie eine ganze Anzahl seiner Kollegen.

(SieheTeil 5 und6 ).

Der vermeintliche Täter löste die Lage schließlich alleine und erschoss sich selbst. Das behauptet jedenfalls die Polizei, auch wenn sie persönlich nichts gesehen haben wollen.


Nachtrag


Die Aussagen der beiden Polizisten B. und Sandra Geiger wurden am 22. Dezember 2010 vor Gericht verlesen. Dies geschah während des 24. Prozesstages im Verfahren gegen Jörg Kretschmer.

Die beiden Beamten hatten sich mit anderen Polizisten vor der Kreuzung Wertstraße unweit des Autohauses versammelt.

B. hatte in seiner Vernehmung ausgesagt, dass er weder von einem Täterkontakt noch von zwei Opfern gewusst habe. B. wie auch Geiger hatten angegeben, dass sie mit einem dritten Kollegen (Metz) losgefahren wären, nachdem sie Schüsse vernommen hätten. Diese seien aus dem hinteren Bereich von Hahn gekommen, aus Richtung der Firma „Ritter-Aluminium“.

Auch hier wird deutlich, dass es sich nur um jene Schüsse gehandelt haben kann, die einerseits – laut Polizei – vom Täter auf den Vorbau abgegeben, andererseits von den dort postierten Polizisten abgefeuert worden wären.

Also nach jener Sequenz, welche bei SPIEGEL-TV ausgestrahlt worden war.

B. wie Geiger erwähnten allerdings nicht, dass ihnen kurz zuvor ein Streifenwagen vorausgefahren sein musste. Stattdessen berichtete B. von einem Fahrzeug, welches „dahinter“, also nach ihnen ebenfalls losgefahren sei. B. hatte in diesem ein Fahrzeug eine Zivilstreife aus Nürtingen vermutet. Es sei sogar noch ein Fahrzeug gefolgt.

Geiger bestätigte die vermutliche Zivilstreife hinter ihnen, doch gab sie, wie auch ihr Kollege, auf die für uns (noch) unverständliche Nachfrage an, dass der Abstand zwischen ihnen und der genannten Zivilstreife etwa 150 – 200 Meter betragen habe, während des Schusses 100 – 150 Meter.

Dies ist insofern etwas kurios, weil der Abfahrtsort von B. und Geiger etwa 100 Meter entfernt gewesen war und daher von einem nachfolgenden Fahrzeug keine Rede sein konnte.

Wir wissen noch nicht, was es mit diesem weiteren Zivilfahrzeug auf sich hat, welches den polizeilichen Vernehmer interessierte.

Gesehen haben die Beamten B. und Geiger den Schützen übrigens nicht. Und nachdem sie angeschossen zum Stehen gekommen waren, berichteten beide Beamten mit keinem Wort, dass sie bedroht oder gar beschossen worden wären, auch von keiner verbalen oder nonverbalen Kommunikation mit dem vermeintlichen Täter. Kein Kontakt.

Dieser hatte zu diesem Zeitpunkt aber offenbar noch gelebt und war gegenüber auf dem Parkplatz herumspaziert. Zumindest noch für wenigstens zwei Minuten.

Weiter zu:

Teil 3 - Winnenden

Zuletzt geändert: 20/08/2022 13:05